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1. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 5

1913 - Leipzig : Hahn
5 durch, der erste Stich war mißlungen. Tief erglühend forschte ich der Ursache nach und kam endlich darauf, daß von mir vergessen worden war, an dem Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit großer Mühe ein Knötlein und nähte hierauf mit Erfolg, aber auch mit Hindernissen. Es verwandt und verdrehte sich der Zwirn, es staute sich die Nadel am Finger, es verschob sich das Zeug und ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen, es riß sogar der Faden. Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein Meister auch nur, eine Silbe zu mir gesprochen hätte, und als ich endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge fragte, was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den Ärmling wieder auf bis auf den letzten Stich und ziehe die Fäden sauber aus. Achtung geben mußt nur, daß du den Stoff nicht an- schneidest." Als ich das mit Angst und Schmerz getan hatte und die Teile des Ärmlings wieder so dalagen, wie sie mir der Meister in die Hand gegeben hatte, ließ er von seiner Arbeit ab und sprach zu mir folgendes: „Ich hab' nur sehen wollen, wie du die Sache angreifst. Just nicht ungeschickt, aber den Loden muß man zwischen Knie und Tischrand einzwängen, sonst liegt er nicht still. Später, wenn du's einmal kannst, wird er auch wohl ohne Einzwängen still liegen, so wie bei mir da. Auf den Finger mußt du einen Fingerhut stecken, sonst kriegt deine Hand gerade so viele Löcher wie der Loden. Den Zwirn mußt du mit Wachs glätten, sonst wird er fransig und reißt. Die Stiche mußt du so machen, daß einer über dem andern reitet, das heißt man Hinterstiche, sonst klafft die Naht. Die Teile mußt du so zusammennähen, daß du sie nicht wieder voneinander zu trennen brauchst, und gibt es doch einmal zu trennen, so mußt kein saures Gesicht dazu machen; empfindsam sein leidet unser Handwerk nicht. Jeder Ochsenknecht wird dich ausspotten und wird dich fragen, ob du das Bügeleisen bei dir hättest, daß dich der Wind nicht fort- trägt, und wird, solange er deiner ansichtig wird, wie ein Ziegenbock meckern. Laß ihm die Freud' und geh still und sittsam deiner Wege. Ein gescheiter Mensch schämt sich nicht seines ehrlichen Handwerks, und ein dummer vermag es nicht zu lernen. Der Schneider studiert nie aus; jede Kundschaft hat einen andern Leib, jedes Jahr hat eine andre Mode; da heißt's nicht bloß zuschneiden und nähen, da heißt's auch denken, mein lieber Bub'; aus einem tüchtigen Schneider ist schon manch ein hoher Herr hervorgewachsen. Der große Feldherr Derff- linger ist ein Schneider gewesen. Deswegen, wenn du in dir wirklich die Neigung empfindest zu diesem Stande, so will ich dich lehren, was ich selber kann." Ich nickte dankend mit dem Kopfe. Beim Weggehen sagte der Alpelhoser zu mir: „Schneider werden? Wie ist dir denn das einge- fallen ? Alleweil in der finstern Stube sitzen; in den meisten Häusern lassen die Leut' nicht einmal Lust zu den Fenstern herein. Wenn du

2. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 11

1913 - Leipzig : Hahn
11 Ein einsamer Mann schritt eilig auf dem schmalen, grasbewachsenen Fußpfade vorwärts. Er war noch jung. Ein leichter Flaum sproßte über den frischen Lippen, und die hellgrauen Augen blitzten unternehmend und sorglos in die Welt. Ein lustiges Lied vor sich hinträllernd, achtete er wenig auf seine Umgebung; er sah weder rechts noch links; er bemerkte es auch nicht, daß die zuerst vereinzelt stehenden Sträucher und Bäume einander immer näher rückten. Plötzlich blieb er stehen. Die Pfade kreuzten sich nach verschiedenen Richtungen, und gerade vor ihm erhob sich ein dichter Wald. Überlegend sah er um sich. Weißer Nebel stieg aus den Wiesen hinter ihm; der Mond war aufgegangen und goß sein bleiches Silberlicht über die Berge; schwarz und schweigend stand der Wald da. Sollte er eintreten? Einen Augenblick besann er sich. Dann warf er trotzig seinen Kopf zurück und schritt vorwärts, zuerst vorsichtig, dann rascher. Immer tiefer drang er ein. Gespenstig drohend streckten die hohen Bäume ihre Äste gen Himmel. Der zuerst ziemlich breite Weg wurde immer schmäler. Kaum mehr dem Auge erkennbar, schlängelte er sich zwischen dem Buschwerk dahin. Der Jüngling mochte wohl mehrere Stunden so gegangen sein; Hunger und Müdigkeit drohten, ihn zu übermannen. Immer langsamer wurden seine Schritte, bis er endlich ganz stehen blieb. Er konnte nicht mehr vorwärts. Gerade vor ihm, quer über dem Weg, lag ein vom Sturme entwurzelter Stamm. Erschöpft ließ er sich auf diesen nieder, es war ihm unmöglich, weiter zu marschieren. Nachdem er eine Zeitlang geruht hatte, raffte er sich empor und eilte wieder zurück auf dem Wege, den er hergekommen war. Eine plötzliche, ihm sonst ganz ungewohnte Angst hatte ihn überfallen. „Nur fort, nur heraus aus diesem Walde," dachte er, „ganz gleich, wohin." Trotz seiner Ermattung lief er vorwärts, so schnell ihn die Beine trugen, einmal auf diesem, dann wieder auf jenem Wege. Aber zu seinem größten Schrecken gewahrte er, daß er immer wieder an den Ort zurückkehrte, von dem er ausgegangen war. Ver- zweifelnd warf er sich nieder, vergrub das Gesicht in beide Hände, schluchzte und rief laut um Hilfe. Als er wieder emporsah, schrak er zusammen, denn vor ihm standen drei Männer. Der eine trug ein prächtiges, reich mit Gold gesticktes Gewand, das von einem glänzenden, mit Edelsteinen geschmückten Gürtel zusammen- gehalten war. Der zweite hatte ein schwarzes Kleid mit rotem Gürtel und der dritte ein blaues Hemd und einen einfachen Ledergurt. In der nervigen Faust hielt er eine schwere Axt. „Was tust du hier?" fragten ihn die drei. — „Erbarmt Euch meiner, ich verschmachte. Sagt mir, wo ich eigentlich bin." — „Du bist im Walde des Elends", gaben sie zur Antwort. — „Helft mir, rettet mich, führt mich hinaus aus dieser entsetzlichen Wildnis", flehte er sie au. — „Wähle einen von uns, der dich führen soll."

3. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 35

1913 - Leipzig : Hahn
35 einen Hexenschuß im Kreuz und liegt zu Bette; aber die Herbergsmutter hat auch noch keinem ehrlichen Schusterknecht ein Bein ausgerisien. Kannst fragen, wen du willst, in der Stadt, ob die alte Hambroksche nicht überall einen Stein im Brette hat." „So wollt' ich Euch ganz freundlich angesprochen haben, Frau Mutter," sagte Timmo, indem er sich mit geschlossenen Hacken vor sie hinstellte, den Hut in der Hand und den Ranzen unter dem linken Arm, „von wegen des Handwerks, ob Ihr mich und mein Bündel heute wollet beherbergen, mich auf der Bank und mein Bündel unter der Bank; ich will mich halten nach Handwerks Gebrauch und Gewohnheit, wie es einem ehrlichen Schusterknecht zukommt, mit keuschem Mund und reiner Hand." „Sei willkommen wegen des Handwerks!" sagte die Alte, „lege dein Bündel unter die Bank und deinen Filz auf dem Herrn Vater seinen Tisch; ich will den Altschaffer rufen lassen, daß er dich umschaut." Timmo tat, wie ihm geheißen war, und ruhte sich. Als aber der Altgesell kam, erhob er sich wieder, setzte den Hut auf, ging dem Ein- tretenden entgegen und legte seine linke Hand auf dessen rechte Schulter. Der Altgesell machte es ebenso und fing an: „Hilf Gott, Fremder! — Schuster?" „Stück davon", antwortete Timmo. „Wo streichst du her bei dem staubigen Wetter?" „Immer aus dem Land, das nicht mein ist." „Kommst du geschritten oder geritten?" „Ich komme geritten auf zwei Rappen aus eines guten Meisters Stall. Die Meisterin hat sie mir gesattelt, die Jungfer hat sie mir ge- zäumt, und beschlagen hab' ich sie mir selber." „Worauf bist du ausgesandt?" „Auf ehrbare Beförderung, Zucht und Ehrbarkeit, Handwerks Gebrauch und Gewohnheit." „Wann fängt selbige an?" „Sobald ich meine Lehrjahre ehrlich und treu ausgestanden." „Wann endigt sich selbige?" „Wenn mir der Tod das Herz abbricht." „Was trägst du unter deinem Hut?" „Eine hochlöbliche Weishett." „Was trägst du unter deiner Zunge?" „Eine hochlöbliche Wahrheit." „Was frommt unserem Handwerk?" „Alles, was Gott weiß und ein Schustergeselle." Nun nahmen sie beide den Hut ab, der Altschaffer reichte dem Fremden die Hand und sprach: „Sei willkommen wegen des Handwerks! Wie heißt du? Was ist dein Begehr?" „Ich heiße Timotheus Schneck, bin aus Darmstadt gebürtig und wollte dich gebeten haben, du wollest mir Handwerksgewohnheit wider- fahren lassen und mich umschauen, ist es nicht hier, so ist es anderswo." 3*

4. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 57

1913 - Leipzig : Hahn
57 richtung. Die Frau nimmt sich ein Tuch um und ein Körbchen in die Hand und läuft quer über die Straße. Dort wohnt ein Mann hinter Spiegelscheiben, ein rosiger, behäbiger Mann, der in einer weißen Schürze hinter einem Marmortische steht. Und neben ihm befindet sich eine rosige, behäbige Frau und ein rosiges, behäbiges Ladenmädchen, ebenfalls mit weißen Schürzen angetan. Meine kleine Frau tritt nun in den Laden, und in der Hand trägt sie ein Zaubertäschchen — gewöhnliche Menschen nennen es Portemonnaie. Auf den Zauber dieses Täschchens setzen sich nun die fleißigen Messer in Bewegung und säbeln von den köstlichen Vorräten, die der Marmortisch beherbergt, herab, was das Herz begehrt und der Säckel bezahlen kann. Meine kleine Frau läuft wieder über die Straße, und nach zehn Minuten ist der Tisch fertig und bedeckt mit allem, was man nur verlangen kann — wie durch Zauber." Seine Frau war unterdes mit den Kindern lächelnd hinausgegangen, und da Hühnchen bemerkte, daß ich die ärmliche, aber freundliche Ein-- richtung des Zimmers gemustert hatte, so fuhr er fort: „Purpur und köstliche Leinwand findest du nicht bei mir, und die Schätze Indiens sind mir noch immer fern geblieben, aber das sage ich dir, wer gesund ist" — hierbei reckte er seine Arme in der Art eines Zirkusringkämpfers, „wer gesund ist und eine so herrliche Frau hat wie ich und zwei so prächtige Kinder — wer alles dieses besitzt und doch nicht glücklich ist, dem wäre es besser, daß ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er versenkt würde in das Meer, da es am tiefsten ist!" Er schwieg eine Weile und schaute mich mit glücklichen Augen an. Frau Lore war unterdes von ihrem Ausgang zurückgekehrt und be- reitete nun in hausmütterlicher Geschäftigkeit den Tisch, während die beiden Kinder mit großer Wichtigkeit ihr dabei zur Hand gingen. Plötzlich sah Hühnchen seine Frau leuchtend an, hob den Finger empor und sagte: „Lore, ich glaube, heute abend ist es Zeit!" Die kleine Frau lächelte ver- ständnisinnig und brachte dann eine Weinflasche herein und Gläser, die sie auf dem Tische ordnete. Hühnchen nickte mir zu: „Es ist Tokaier," sagte er, „kürzlich, als ich das Geld für eine Privatarbeit erhalten hatte und es so wohlhabend in meiner Tasche klimperte, da bekam ich opulente Gelüste und ging hin und kaufte mir eine Flasche Tokaier, aber vom besten. Abends jedoch, als ich sie öffnen wollte, da tat es mir leid, und ich sagte: »Lore, stelle sie weg, vielleicht kommt bald eine beffere Gelegenheit.' Ich glaube, es gibt Ahnungen, denn eine plötzliche Erinnerung an dich ging mir dabei durch den Sinn." Wie heiter und fröhlich verlief dies kleine Abendeffen! Es war, als sei der Sonnenschein, der einst in Ungarns Bergen diesen feurigen Wein gereift hatte, wieder lebendig geworden und fülle das ganze Zimmer mit seinem heiteren Schimmer. Auf die blaffen Wangen der kleinen Frau zauberte der ungarische Sonnenschein einen sanften Rosenschimmer. Sie setzte sich nachher an ein kleines, dünnstimmiges, heiseres Klavier und sang mit anmutigem Ausdruck Volkslieder. Nachher saßen wir behaglich um den Tisch und plauderten bei einer Zigarre. Ich fragte Hühnchen

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 74

1913 - Leipzig : Hahn
74 38. Versöhnung. 3m Roten yahn zu Eisenerz gab es wilden Streit. Die Wirtin und die Aellnerin liefen atemlos im Orte umher und fahndeten nach der Polizei. Der dicke Hahnenwirt war ganz behende vor Angst, schlug die Hände zusammen, begütigte und beschwor. Ganz witzig wurde er, als er sah, daß sich die Aampflust zu Gunsten seiner Ge- räte bloß gegen Personen wendete. Als sich die elektrischen Funken stark entladen hatten, ergab sich die Dämpfung von selbst. Um was sich's nur heute wieder gehandelt hat? Des Erzes wegen hatten sie gestritten, die Anappen des Erzberges. Da hatte der Italiener Ozzotti, aus dem friaulischen Lande herbeigekommen, um sich Geld zu verdienen, mit sehr lauter Stimme, aber in sehr schlechtem Deutsch behauptet, der Erzberg gehöre schon gar am wenigsten den Deutschen. wem denn? fragten die Burschen des Tales. Eher den Aelten, die ihn wohl zuerst angestochen hätten. So sollten sie immerhin kommen, die Herren Aelten, und den Lrzberg auf einem Schubkarren davonschieben! Aommen? Das könnten sie nicht, meinte der welsche, denn sie wären — was man so aus den Büchern lesen könne — tot, samt und sonders, hingegen seien die Römer die Erben der Aelten geworden! Und die Deutschen die Erben der Römer! warf der Schichten- schreiber ein. wieso das? eiferte Ozzotti, das wäre ein neuer Brauch, jemanden zu beerben, bevor er tot sei. Die Römer lebten noch sehr frisch in den heutigen Italienern fort und würden ihr Recht in Noricum schon wieder zurückverlangen. Das wäre sauber! versetzte nun der Bergknappe Aeter Ober- dörfer, so ein welscher Aatzelmacher, der in Österreich geboren sei und sein Fortkommen sinde, der im Auslande sich als Österreicher brüste, weil er als solcher und nur als solcher gern gesehen sei; der die Deutschen wohl heimtückisch hasse, aber vor ihnen krieche und sie recht gern aufsuche, wenn er Geld brauche, ein solcher nenne sich einen Römer! Ozzotti war aufgefahren, daß seine weiten, fahlen Zwilchhosen und sein grobes Streifenhemd zitterten; fein sonnenverbranntes Ge- sicht wurde noch dunkler, seine scharfen, unruhigen Augen noch un- ruhiger und zuckender, die derben Finger vergrub er krampfhaft in sein Gewand, zu sehen, als wollte er in demselben ein Messer suchen und hervorziehen. Nicht der eigentliche Borwurf hatte ihn so sehr empört, sondern das Wort „Aatzelmacher". Er wußte zwar gar nicht, was es heißen und sagen sollte, wohl so wenig als der es wußte, der es ausgesprochen, aber es galt einmal als Schimpfname gegen die welschen, in den man allen Spott und Hohn, die An-

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 195

1913 - Leipzig : Hahn
195 fährt der Kleine endlich aus seinem Nachdenken auf, sieht mich groß an und fragt mit gezogenem Tone: „Wollen Sie hier im Hause jemand sprechen?" Verdrießlich, daß ein solches Männchen es wage, mich ohne weitere Umstände anzureden, entgegnete ich in ziemlich hochtrabender Weise: „Ich habe ein Geschäft mit dem Hause Mohrfeld." Der Kurze lächelte einen Augenblick und sagte dann ziemlich ernst: „Ich bin Mohrfeld." Wie? Und von diesem Manne, der seine Fische selbst einkaufte und in einem abgeschabten Oberrocke einherging, sollte mir Hilfe kommen? — Aber es war der einzige Hoffnungsanker, nach dem ich greifen konnte; ich riß also blitzschnell den Hut herunter und sagte mit so einnehmendem Wesen, als es mir möglich war: „Verzeihen Sie! — Ich hatte bis jetzt nicht die Ehre — ich habe", hier zog ich die Brieftasche — „ein Schreiben zu überreichen." Herr Mohrseld unterbrach mich: „Jetzt nicht; nachher werde ich Sie sprechen im Kontor, Sie müssen aber etwas warten. Kommen Sie!" — Er trat in das Haus und ich hinter ihm drein. Auf der Vordiele war ein reges Leben, zwei große Wagschalen hingen von der Decke herab, mehrere Quartiersleute schleppten Kaffeesäcke heran, die sämtlich gewogen wurden, ein Kommis stand mit einer Schreibtafel dabei. Herr Mohrfeld sah eine Weile schweigend zu und wollte weiter gehen, als einer der Leute seinen Sack etwas unsanft zu Boden warf, sodaß dieser platzte und die Bohnen weit umherflogen. „Was ist das für eine liederliche Wirtschaft!" fuhr der Herr grimmig auf; dann aber bückte er sich und half emsig die zerstreuten Bohnen aufsammeln, wobei er in Zwischenräumen folgendes sprach: „Sammelt mir hübsch alles auf, und steckt es wieder in den Sack hinein — dann soll die schadhafte Stelle ausgebessert werden. — Sic, Herr Möller," — hierbei sah er den Kommis an — „werden den Sack besonders nachwiegen lassen, und wenn etwas an dem Gewicht fehlt, be- rechnen Sie's und schreiben Sie es dem unvorsichtigen Menschen zur Last, es soll ihm am Wochenlohne abgezogen werden." „Das ist doch hart," meinte jener, „so ein paar Bohnen —" „Paar Bohnen?" entgegnete der Kaufmann, „wer das Kleine nicht ehrt, ist des Großen nicht wert; aus achtundvierzig Schillingen besteht ein Taler, und zu einem guten Weinjahre gehören viele warme Tage. Also nicht der Mühe wert? Unachtsamkeit ist ein großer Fehler und der Ruin eines ordentlichen Geschäftes. Herr Möller, sobald der Mann noch eine einzige, auch die kleinste Unachtsamkeit begeht, lohnen Sie ihn auf der Stelle ab, ich mache Sie verantwortlich!" „Großer Gott," dachte ich, „um einer Hand voll Kaffeebohnen willen einen Mann außer Brot setzen, wie hart, wie grausam! Wie wird es mir ergehen!" Ein junger Mensch, mit der größten Eleganz gekleidet, kam aus dem Kontor, verneigte sich vor Herrn Mohrfeld und wollte zur Tür hinaus, aber auf einen Wink seines Prinzipals stand er still. „Wie sehen Sie denn aus?" ftagte der Kaufmann unwillig, „ist 13*

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 213

1913 - Leipzig : Hahn
213 Fahl glänzt am gelben Sperliugsfrack Thurn-Taxis Wappenknopf. Lr raucht uralten Rauchtabak aus braunem Ulmerkopf. Er raucht und spricht: ,,G Lrdenball, wie anders schaust du drein, seit ich mit Sang und Peitschenschal- einst Postdienst tat am Rhein." Jetzt rennt der Dampf, jetzt brennt der wind, jetzt gilt kein Früh und Spat — die Sonne malt, und blitzgeschwind Brief schreibt der Rupferdraht. Joseph Viktor von Scheffel. 94. Die Probefahrt auf der ersten Eisenbahn von Liverpool nach Manchester. Liverpool, den 26. August 1830.*) Meine teure Helene! Ein kleines Blatt Briefpapier reicht für die Liebe aus, aber ein großer Schreibpapierbogen gehört dazu, wenn es gilt, eine Eisenbahn und meim Begeisterung aufzunehmen. Es war einmal ein Mann zu Newcastle, der war ein gewöhnlicher Kohlenhäuer. Dieser Mann hatle ein außer» ordentliches Konstruktionstalent, das sich darin kundgab, daß er einmal seine Uhr auseinandernahm und wieder zusammensetzte, ein andermal em Paar Schuhe in den Feierabendstunden machte, endlich — hier ist eine große Lücke in meiner Geschichte — brachte es ihn mit seinem Kops? voll von Plänen für den Bau einer Eisenbahn von Liverpool nach Manchester vor ein Komitee des „Hauses der Gemeinen". Aber es traf sich, daß dieser Mann neben der schnellsten und kräftigsten Auffaflungs- und Er- findungsgabe, neben unermüdlichem Fleiße und rastloser Ausdauer, neben den genauesten Kenntnissen der Naturkräfte, die er für seine Zwecke brauchte, so gut wie gar keine Gabe zum Sprechen hatte. Er konnte so wenig sagen, was und wie er es tun wolle, als er fliegen konnte. Als daher die Parlamentsmitglieder in ihn einredeten und fragten: „Da ist ein Felsen sechzig Fuß hoch zu durchbrechen, dort sind die Dämme von ungefähr gleicher Höhe aufzuschütten, da ist ein Sumpf von fünf Meilen Länge zu übersetzen, in dem ein hineingesteckter Stab von selbst versinkt — wie wollen Sie das alles ins Werk setzen?" so erhielten sie nichts zur Antwort als im breiten northumberischen Dialekt: „Ich kavn's euch nicht sagen, wie ich's tun werde, aber ich sage euch, daß ich es tun werde." Und sie entließen Stephenson als einen Schwärmer. Da er aber in eine Gesellschaft von Liverpools Gentlemen kam, die weniger ungläubig waren und die nötigen Fonds aufbrachten, so wurde im Dezember 1826 der erste Spatenstich getan. — Und nun will ich Dir von meinem gestrigen Ausflug erzählen. Eine Gesellschaft von sechzehn Personen wurde in einen großen Hof gelüsten, wo unter Dach einige *) Dieser Brief ist von Miß Kemble, Tochter des berühmten Schauspieler? Kemble, der mit eingeladen worden war, an der Probefahrt teilzunehmen.

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 271

1913 - Leipzig : Hahn
271 an der Kette, um den jeder scheu herum ging, sah finster und mürrisch aus wie immer. Er dachte wahrscheinlich an seinen vornehmen Vetter draußen in der Heide vor dem Tore, der mit seinem gemauerten Unterbau und den vier runden, durch Balken verbundenen Säulen hoch in der Luft meilenweit sichtbar war. Man nannte ihn nicht gern; denn wer spricht gern vom Hängen? Auch der hölzerne Esel neben dem Brunnen auf dem Markte streckte seine langen Ohren träumerisch in den Sonntags- morgen hinein, wahrscheinlich verwundert, daß seit längerer Zeit kein Ver- spotteter auf seinem schmachvollen Rücken geseffen hatte. Die Glocken läuteten zur Kirche, und die Gläubigen folgten dem feierlichen Rufe. Ernste Männer, Ratsherren, Sülfmeister und Hand- werker in pelzverbrämten Schauben oder in geschonten Leibröcken aus dunkelm Tuch schritten langsam, bedächtig dahin. Geschmückte Frauen mit gold- und silbergestickten Schapeln und schönen Gürtelketten, an denen die faltigen, sammetbesetzten Kleider geschürzt waren, und sittsame Jung- ftauen mit niedergeschlagenen Augen, das Gebetbuch in den gefalteten Händen, wandelten an der Seite der würdigen Eheherren, während Knechte und Mägde sich ihnen bescheiden anschlossen. Auch im Böttcherhausc durfte niemand zurückbleiben. Die Tochter ging mit der Mutter voran, und Meister Henneberg folgte ihnen mit seinen Söhnen zur benach- barten Nikolaikirche, die zu Anfang des Jahrhunderts mit Hilfe von Stiftungen der in ihrer Nähe wohnenden Schiffer und Salztonnenböttcher erbaut war. Hoch oben im Mittelschiff lief an der Wand unter dem schließenden Gewölbe ein schmaler, schwindelerregender Gang rundum, der nur von einem dünnen Eisenstab umzäunt war und der Mönchsgang hieß. Auf den seitlichen Emporen waren die Wappenschilder der vor- nehmen Geschlechter in der Gemeinde und unten im Schiff die Sitzreihen für den Bürger und Handwerker gleichfalls mit den geschnitzten und gemalten Wappen der Gilden bezeichnet, die hier ihre bestimmten Bänke für die Meister und deren Angehörige hatten. Hier ließ sich auch Meister Henneberg mit den Seinen nieder, um seinem Gott zu danken. Juliu« Wolf. 118. Pfingsten. Sein schönstes Fest, sein Fest im Freien, sein Freudenfest begeht das Jahr. Schmückt Tür und Tor mit grünen Maien, mit Maien Gräber und Altar! Stellt Rotdornzweige und Holunder ius ärmste Armenstübchen heut! Das Fest der Zeichen und der Wunder hat sonnenfunkelnd sich erneut. Im Blütendufte stehn die Reben, in allen Stämmen quillt der Saft — die alte, heil'ge Lust am Leben flammt wieder auf mit starker Kraft.

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 245

1913 - Leipzig : Hahn
245 Zwei Arme strecken sich ihm entgegen, und mit einem Freudenruf finkt der Sohn an die Brust der lieben Bkutter. Er legt seine Hände auf das graue Haar der Alten, schaut ihr in die Augen, drückt das teure Haupt wieber an sich und preßt den Bkund auf die Haare, von denen das Tuch herabgefallen ist. Die gute Alte schluchzt, an die Schulter des Sohnes gelehnt, und streicht mit den fänden über seinen Soldatenrock. Die wachthabenden Soldaten bleiben rücksichtsvoll abseits stehen; ich aber stand still an der Tür meines Zimmers und sah schweigend jener heiligen Umarmung zu. „wutter, weine doch nicht so!" sagte jetzt der Sohn zärtlich. Sie schluchzte noch immer sprachlos, bis sie endlich die Augen zu ihm erhob und lächelnd tief atmete, als ob ihr eine (äst vom Kerzen fiele. „Bist du müde?" fragte er besorgt und sah sich nach einem Platze für das große Bündel um, das sie mitgebracht hatte. Ich öffnete die Tür und rief: „Aommt herein!" „(D, der (Offizier!" sagte sie und machte einen Anicks, während der Soldat verlegen dastand. „Aommt nur herein!" wiederholte ich. Sie traten schüchtern ein; die Alte legte ihr Bündel auf den Tisch, und ich zog mich z»rück. „Laß dich einmal ordentlich betrachten, mein Sohn!" sagte sie jetzt. Er wandte sich lächelnd nach allen Seiten; die Bkutter beschaute ihn vom Aopf bis zu den Füßen, und die Hände faltend, rief sie zärtlich aus: „wie schön dir die Uniform steht!" Sie näherte sich, bewunderte jeden Anopf, und als sie bemerkte, daß der Hauch ihres Blundes seine Gürtelschnalle getrübt hatte, rieb sie diese mit dem Schürzenzipfel ab; dann legte sie ihre Arme liebevoll um des Sohnes Hals. plötzlich riß sie sich von ihm los und fragte ängstlich: „Und der Arieg? Sag' mir, mein Sohn, wann werdet ihr denn in den Arieg ziehen?" Er lachte und sagte: „wer hat dir denn etwas vom Arieg gesagt, meine gute Bkutter?" — „Es gibt also keinen?" meinte sie befriedigt. — „Ei, Bkütterchen," sagte er, „das kann ich dir nicht verraten. Was meinst du denn, was wir Soldaten vom Arieg wissen?" — „Aber wenn ihr, die ihr den Arieg macht, nichts davon wißt, wer soll's dann wissen?" Sie erwartete die Antwort mit so verwunderter Neugierde, mit einem so herzlichen Lächeln, daß der Sohn sie herzhaft schüttelte und küßte, wie man es wohl bei herzigen Aindern tut. Zch stand noch immer an der Tür des Nebenzimmers und dachte: „Das ist ein Bkensch, der seine Bkutter auf den fänden trägt; er muß auch ein guter Soldat sein, gehorsam, respektvoll und mutig. Feige Gemüter können so tief nicht empfinden. Er wird auf dem Schlachtfeld furchtlos in den Augelregen eilen und, den Namen seiner Blutter auf den Lippen, sterben. — U)enn wir die ersten Aeime aller sanften Regungen, aller edelmütigen Taten aufdecken könnten, wir würden sie fast immer im Herzen der Bkütter finden, wie manche Auszeichnungen für kriegerische Heldentaten müßten statt auf der

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 316

1913 - Leipzig : Hahn
316 das taten sie, und Spartas Held und König Leonidas verteidigte den Paß drei Tage lang. Am vierten, als die Perser schon müde wurden, fand sich ein Verräter, dem König Xerxes einen steilen Saumpfad zu zeigen über des Gebirges Grat. Den gingen nachts die versuchen Bogenschützen und fielen so die Schar im Rücken an. Die aber, die spartan'schen Heldenseelen, dreihundert kaum, anstatt hinwegzufliehn, sie flochten wie zum Fest ihr langes Haar und fielen, ihre heim'schen Götter preisend, ein lorbeerwertes Opfer, Mann für Mann. Als Terxes das vernahm, erschrak sein Herz und ahnt' ihm Böses. Als durch Griechenland die Kunde flog, da in der höchsten Not erjauchzten alle, und der Mut, der schon zu sinken drohte, mächtig flammt' er auf, und Sieg auf Sieg entsproß aus diesem Opfer, bis Persiens Übermacht zu Boden lag. (Pause.) Schröder. Was soll das hier! Wenn Ihr nur sagen wollt, daß unser Kommandant und seine Truppen — Zipfel (ihn groß ansehend). Nicht doch, Herr Nachbar! Ihr versteht mich falsch. Auf etwas andres hab' ich hingezielt. Nämlich, im alten Griechenland, da gab's bekanntlich weder Bürger, noch Soldaten, da gab es nur ein Volk, das hatte nicht zweierlei Tuch und zweierlei Gesinnung. Das wußte, wenn das Vaterland bedroht ist, hat jedermann sein Letztes einzusetzen. Da war kein einz'lner, auserwählter Stand, der sich allein die Ehr' anmaßen durfte, fürs Vaterland zu sterben. Die Spartaner, die ruhmvoll bei Thermopylä gefallen, die waren gute Bürger so wie wir, die hatten Weib und Kind und Haus und Gut und auch genug der Schiffe, sich zu retten. Sie aber blieben. Denn dem Femd gegenüber war jedermann Soldat und hielt sein Blut zu kostbar nicht, die Freiheit zu erkaufen. Nun, meine Freund' und Nachbarn, die Moral ist klar genug. Ich denk', der Herr Major versteht mich auch. Nettelbeck (ausbrechend). Das war wie ein Mann gesprochen das soll Euch unvergessen sein!
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